Am 18. April 2023 verhandelte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mündlich die Verfassungsmäßigkeit der Reform des Bundeswahlgesetzes aus dem Jahr 2020. Anlass hierzu gab der durch die damalige Opposition – FDP, Grüne und Linke – eingereichte Antrag auf abstrakte Normenkontrolle. Neben im Raum stehenden Auswirkungen auf die Wahl- und Chancengleichheit der Parteien durch das beschlossene Gesetz legten die Richter:innen des zweiten Senats den Schwerpunkt der Verhandlung auf die Verständlichkeit, die Normenklarheit sowie die Bestimmtheit des Gesetzes.
Emanuel V. Towfigh wurde zu diesem Termin als sachkundiger Dritter zu den dogmatischen Grundlagen der Bestimmtheit und Normenklarheit geladen.
Das Urteil wurde nun am 29. November 2023 veröffentlicht:
Als Grundlage für die Ausführungen diente sein Aufsatz »Komplexität und Normenklarheit – oder: Gesetze sind für Juristen gemacht«, der 2009 in Der Staat erschienen war (die F.A.Z. hatte dazu berichtet), sowie der Aufsatz »Nur erst, wenn dir die Form ganz klar ist, wird dir der Geist klar werden« aus dem Jahr 2015 aus Juristische Arbeitsblätter (JA).
„Das Wahlrecht ist komplex und schwer verständlich. Ob es so unverständlich ist, dass es als verfassungswidrig bezeichnet werden muss, hat das Bundesverfassungsgericht zu klären. Das hängt davon ab, ob man auf die durchschnittlichen Wähler:innen abstellt oder auf Wahlrechtsexperten. Meines Erachtens ist für das Verständnis des Rechts immer fachliche Expertise notwendig – im Zweifelsfall muss man sich eben beraten lassen. Das ist im Wahlrecht nicht anders. Allerdings stellt sich hier inzwischen die Frage, ob Experten das Wahlrecht noch verstehen können. Ich habe da meine Zweifel.“
Die taz vom 18.04.2023 berichtet über die Verhandlung:
Rechtsprofessor Emanuel V. Towfigh wurde grundsätzlich: „Die Rechtslage ist in einer modernen Gesellschaft notwendigerweise komplex.“ Die Gesetzgebung könne nicht so simpel sein, dass alle Bürger:innen sie verstehen. Wenn es darauf ankomme, müsse man sich eben beraten lassen. Er warnte vor dem „populistischen Missverständnis“, dass eine abgehobene Juristenkaste die Bürger:innen an den Rand schiebe.
Ebenfalls berichteten Tagessschau, ZDF, ZEIT Online, F.A.Z. (Paywall), NZZ, Augsburger Allgemeine und stern.
Details zur mündlichen Verhandlung in Sachen „Normenkontrolle Bundeswahlrecht“ gibt es auch auf der Webseite des BVerfG.