in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2006, Heft 4, S. 131 – 136 | PDF (2.7 MB)
Der Religionsunterricht ist ein Paradebeispiel für die Herausforderung, das geltende Recht nicht nur lege artis auf einen gegebenen Sachverhalt anzuwenden, sondern darüber hinaus auch maßvoll so fortzuentwickeln, dass es dem Wandel der sozialen Verhältnisse angemessen Rechnung trägt. In diesem Sinne hat das BVerwG mit seinem Urteil zum islamischen Religionsunterricht einen Meilenstein für die Entwicklung des Religionsverfassungsrechts gesetzt, dem auch über den entschiedenen Fall hinaus große Bedeutung beizumessen ist. Jahrzehntelang warf der Religionsunterricht allenfalls periphere Detailfragen auf. Erst die mit dem Auftritt des Islam auf der Bühne des Staatskirchenrechts spürbare religiöse Pluralisierung führte zur Befassung mit Kernfragen, die vormals — in einem homogenen Umfeld mit aufeinander eingestellten Akteuren — nicht klärungsbedürftig schienen: Steht Religionsgemeinschaften aus Art. 7 Abs. 3 GG ein Rechtsanspruch auf Einführung eines ihren Glaubensinhalten entsprechenden Religionsunterrichts an staatlichen Schulen zu (I.)? Wann ist ein religiös geprägter Verband eine Religionsgemeinschaft (II.)? Gibt es über die im Begriff der Religionsgemeinschaft verankerten Merkmale hinaus Kriterien, die ein solcher Verband erfüllen muss, ehe nach seinen Grundsätzen Religionsunterricht einzurichten ist (III.)? Diese Fragen hat das BVerwG überzeugend geklärt; es ist nun Aufgabe des OVG NRW, an das die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung zurückverwiesen wurde, die entwickelten Grundsätze auf die Klage der beiden islamischen Dachverbände anzuwenden (IV.).